Der gemeinnützige Verein Lebenshilfe Weiz blickt auf eine jahrzehntelange Erfahrung in der Betreuung und Begleitung von Menschen mit Behinderung zurück.
Neben einer wachsenden Zahl spezialisierter Dienstleistungen und dem Angebot einer betreuten Wohneinrichtung wird besonderes Augenmerk auf die Einbindung der sogenannten KundInnen in einen produktiven Alltag und kreative Arbeitsprozesse gelegt.
Räumlich manifestiert sich dieser Anspruch in einer Tageswerkstätte, welche sich zusammen mit dem vollzeitbegleiteten Wohnen im Stammhaus der Lebenshilfe in der Brachtergasse befand. Trotz mehrmaliger Erweiterungen waren die dortigen Kapazitäten erschöpft und so wurde ein geladener Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Aufgabe war es auf dem Grundstück einer in der Nähe befindlichen brachliegenden Kleingartenanlage eine neue Tageswerkstätte zu errichten. Diese sollte zugleich als ein in mehreren Ebenen funktionierender Begegnungsort dienen.
In ihrem mit dem ersten Preis ausgezeichneten Entwurf wenden Ederer und Haghirian Architekten daher das zugrundeliegende Credo einer „selbstbewussten Integration“ auch auf die Konzeption ihrer Architektur an.
Der Baugrund befindet sich in leichter Hanglage am östlichen Rand des Weizer Beckens. Auf der westlichen Seite schließt eine große, in den 60er Jahren errichtete Siedlungsanlage in Form von viergeschossigen Wohngebäuden an. Das restliche Grundstück ist von Einfamilienhäusern älteren Bestandes umgeben. Ein Ziel war es nun zwischen diesen maßstäblichen Polen zu vermitteln. Dies gelingt, indem der neue Baukörper auf der Seite der Wohnblöcke die Straßenflucht zweigeschossig aufnimmt und dadurch eine repräsentative urbane Situation ausbildet. Hangseitig ist das Gebäude eingegraben, um mit den kleineren Nachbarhäusern in Form einer eingeschossigen Fassade in Dialog zu treten.
Die neue Tageswerkstätte stellt sich als klarer kubischer Baukörper dar und weckt nicht zuletzt durch die Verwendung von Bandfenstern und weißem Putz Erinnerungen an die elegante Gestaltung der Wohn-, Gesundheits- und Freizeitbauten der klassischen Moderne. Akzentuiert werden die Fassaden durch Einschnitte, welche durch ihre Holzverkleidung gewissermaßen einen weichen Kern des Volumens andeuten.
Man betritt das Gebäude durch eine repräsentative Lobby, von der aus auch der Lift und die Treppe in das Obergeschoss führen. Auf der linken Seite wird dieser Bereich von der Gästebewirtung flankiert. Dieses vollwertig ausgestattete Caféhaus bildet eine gastronomische Schnittstelle zwischen BesucherInnen und BenutzerInnen des Hauses, und dient zugleich als Ausstellungsort für die produzierten Waren. Im Anschluss daran befindet sich der Speisesaal, der von einer selbstbetriebenen und auf professionellem Niveau ausgestatteten Küche versorgt wird.
Ein zentrales Entwurfselement bildet der mit Holz belegte und einem Baum begrünte Innenhof. Um ihn herum sind die Speise-, Therapie-, Arbeits- und Gruppenräume für die fünfzig hier tätigen Personen angeordnet. Er dient sowohl als vielfältig nutzbarer Freibereich als auch als Orientierungspunkt. Durch die geschickte Platzierung der umschließenden Räume und den großzügigen Einsatz von opaken und transparenten Verglasungen sind sowohl die Aufenthaltsräume als auch die Gänge natürlich belichtet.
Die ringförmige Erschließung des Gebäudes ermöglicht einen abwechslungsreichen Rundweg der ständig wechselnde Blickbeziehungen sowohl innerhalb des Gebäudes als auch zum Außenraum hin zulässt. Die eigentlichen Arbeitsbereiche gliedern sich in eine Textil-, eine Holz- sowie eine offene Kreativ- und Kunstwerkstatt. Um die einzelnen Werkstätten zu betonen wurden die Böden in verschiedenen Farben ausgeführt. In den allgemein genutzten Bereichen wird die Orientierung durch ein dezentes Leitsystem erleichtert, indem Tischlereinbauten wie Garderoben und Küchen farblich akzentuiert werden.
Im Obergeschoss befinden sich Verwaltungs- und Personalräume sowie die Tageseinrichtung mit Tagesstruktur – einem Bereich in dem Jugendliche und Erwachsene mit hohem bis höchstem Grad der Behinderung betreut werden. Diese Einrichtung profitiert im besonderen Maß von den vielfältigen Möglichkeiten welches das Gebäude sowohl in funktioneller als auch in kommunikativer Hinsicht bietet. Sowohl die Tagesstruktur als auch der Mitarbeiterbereich verfügen über großflächige Terrassen, welche den Aufenthalt und die Beschäftigung im Freien ermöglichen. Durch die Situierung des Gebäudes im Hang sind beide Geschosse barrierefrei zu erreichen wodurch aufwändige, die Offenheit der Räume beeinträchtigende Brandschutzmaßnahmen vermieden werden konnten.
Die Architekten haben auf diese Weise ein räumliches Kontinuum geschaffen, das einer „promenade architecturale“ gleich ihren Nutzern vielfältige Reize und sinnliche Erlebnismöglichkeiten anbietet. Die Sequenz aus konzentrierten Arbeitsbereichen und übersichtlichen kommunikativen Zonen räumt den hier tätigen Menschen Entscheidungsfreiräume ein und bietet optimale Rahmenbedingungen für ein produktives Miteinander.